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27.2.2025

Kultur trifft Sport: Poschner & Schopp im Zwiegespräch

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„Wäre es möglich, dass jemand anderer vorne steht und das Ganze trotzdem normal funktioniert?“ – diese und viele andere spannende Fragen stellten sich Markus Poschner (54) und Markus Schopp (51) beim Treffen zwischen Kultur und Sport für die LASK-Sonderbeilage in der BezirksRundSchau gegenseitig. Der Chefdirigent des Brucknerorchesters Linz und der Cheftrainer des LASK erörterten in einem erfrischenden Dialog in den Räumlichkeiten der Raiffeisen Arena die Gemeinsamkeiten, aber auch die Unterschiede zwischen der Leitung eines Ensembles und der Führung einer Fußballmannschaft.

Nicht nur der persönliche Werdegang des Duos, das sich sowohl national als auch international einen Namen gemacht hat, offenbart einige Parallelen. Auch in ihrem täglichen Wirken bekommen es der Steirer Markus Schopp und der Münchner Markus Poschner zum Teil mit ähnlichen Herausforderungen zu tun. Was dem einen der Matchplan, ist dem anderen der Notentext, an welchem sich die Protagonisten zu orientieren haben. „Dieser Text ist trotzdem unglaublich interpretationsbedürftig“, stellte Poschner, auf die Eingangsfrage seines sportlichen Pendants eingehend, fest. „Je nachdem, wer da vorne steht, entsteht eine völlig andere Art von Sprache. Alle Orchester spielen irgendwann eine Sinfonie von Beethoven, dennoch sind die Figuren des Dirigenten und der Musiker das Entscheidende. Dementsprechend sind die Ergebnisse völlig unterschiedlich,“ erläuterte Poschner, dessen Orchester zumeist aus 90 bis 100 Personen besteht.

„Das würde bedeuten, dass bei einem kurzfristigen Ausfall von zwei Musikern die Nachbesetzung nicht gleichzeitig dazu führt, dass das Stück ident aussehen würde“, schlussfolgerte Schopp. Ein Phänomen, das auch im Fußball häufig in Erscheinung tritt. Der LASK-Coach hingegen ist bestrebt, durch klare Prinzipien und Automatismen einzelne Ausfälle besser wegstecken zu können und Abhängigkeiten von Spielern zu verringern. „Es geht im Fußball viel um Mechanismen und Automatismen. In Ideen, wo viel Klarheit herrscht, ist es leichter, Ausfälle zu kompensieren“, erläuterte Schopp. 

Markus Poschner und Markus Schopp erörterten gemeinsam spannende Fragen und Gemeinsamkeiten in ihrem Beruf.

Eine Frage der Philosophie

Die richtige Mischung zwischen Klarheit und Kreativität versucht auch Poschner zu finden, der vor allem nach dem Motto seines einstigen Lehrers werkt: „Don’t disturb, only help.“ So beschäftige er sich im Vorfeld der Aufführungen nicht nur mit dem Stück selbst, sondern auch mit dem Orchester und dessen Geschichte und lässt dies in die Interpretation der Stücke einfließen. „Es ist wichtig zu wissen: Mit wem habe ich es zu tun, was ist das Einzigartige am Bruckner Orchester? Das ist der Punkt, mit dem man sich von anderen unterscheiden kann.“

Auf den Fußball umgelegt, lässt sich hier die Philosophie oder gar die Identität eines Vereines anführen. Schopp brachte das Beispiel Barcelona zur Sprache, ein Klub, der seit Jahrzehnten für eine klare Idee steht, während es andere Vereine gibt, die einen eher pragmatischen Ansatz verfolgen. „Dafür brauchst du unterschiedliche Trainertypen und ein genaues Bild, wofür ein Trainer steht. Deshalb ist es so wichtig zu wissen, wofür steht dieser Verein – oder eben dieses Opernhaus.“

Poschner leitet seit 2017 das Brucknerorchester Linz.

Resultate und Leistungen getrennt betrachten

Stichwort Erfolg – letztlich in beiden Sparten ein wesentlicher Faktor, wenngleich im Fußball anhand der Resultate besser messbar. In der Analyse heißt es jedoch, Leistung und Ergebnis ein Stück weit voneinander zu trennen. Ein 0:0 trotz drückender Überlegenheit wie gegen Blau-Weiß Linz oder ein 2:1-Erfolg trotz eher durchwachsener Vorstellung wie im Herbst in Salzburg müssen richtig eingeordnet werden. „Es gibt miserable Leistungen mit guten Resultaten, die in der Öffentlichkeit als gut definiert werden – und umgekehrt. Für uns geht es darum einen klaren Weg zu finden, um permanent erfolgreich zu sein“, sagte der LASK-Coach.

„Bei uns sind es der Applaus, die Kritik und die verkauften Tickets“, bemerkte Poschner. Auch hier brauche es Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein, selbst wenn vereinzelt Konzerte weniger gut besucht seien. Dafür sei eine glaubwürdige Kommunikation notwendig. „Aber das Ganze ist natürlich ein fragiles Gebilde. Wenn jedes unserer Konzerte nur zu 30 Prozent gefüllt ist, zerreißt es einen irgendwann.“

Schopp fungiert seit September 2024 als Cheftrainer des LASK.

Anonyme Proben vs. Scouting

Aus einer Vielzahl an talentierten Spielern, respektive Künstlerinnen und Künstlern, eine Einheit zu formen, die im Kollektiv harmoniert – auch diese Aufgabe eint die beiden erfahrenen Führungskräfte. Raum zu schaffen für Identifikationsfiguren, die Stärken der einzelnen Musikerinnen und Musiker zu erkennen und zur Entfaltung zu bringen, dafür Sorge zu tragen, dass innerhalb des Konzeptes jeder seinen Platz vorfindet – das sei die Kunst des Dirigenten, wie Poschner verriet. Dafür brauche es eine Hierarchie und gewisse Führungsspieler. Durchaus umkämpfte Positionen: In anonymen Proben hinter dem Vorhang können sich potenzielle „Neuzugänge“ für einen frei gewordenen Posten beweisen, ehe es nach einem Probejahr zur endgültigen Entscheidung kommt. Diese wird vom gesamten Orchester getroffen. „In diesem Jahr siehst du dann: Passt die Person in die Gruppe? Hat sie Führungsqualitäten? Ist sie kompatibel? Man sucht hier nicht immer die anpassungsfähigste Person, sondern vielleicht jemanden, der einen Aspekt mitbringt, der so noch nicht vorhanden ist.“

Etwas, das sein Gegenüber im Trainingsanzug nur zu gut kennt, wenngleich einjährige Probegastspiele im Fußball bekanntermaßen Seltenheit genießen. Dennoch gilt es, sich über hochwertiges Scouting ein möglichst exaktes Bild von potenziellen Neuzugängen zu machen. „Du solltest einen möglichen neuen Spieler nicht nur sportlich beurteilen können, sondern auch wissen, wie er tickt. Am leichtesten tut man sich natürlich mit Spielern, mit denen man schon gearbeitet hat“, erklärte Schopp, der einen großen Unterschied sieht zwischen Individualisten und tatsächlichen Führungsspielern ortet. „Ein guter Spieler ist nicht automatisch ein Führungsspieler. Entscheidend ist: Wie schaffe ich es als Trainer, einen Führungsspieler so wirken zu lassen, dass er am Ende den Unterschied ausmacht?“

Die Leidenschaft für ihren Beruf eint Markus Poschner und Markus Schopp.

Am Limit orientieren

Um besagten Unterschied auszumachen, bedarf es zuweilen den nötigen Mut zum Risiko. Oder, wie es Poschner auf den Punkt brachte: „Wahre Kunst spielt sich immer an der Abrisskante zur Katastrophe ab.“ Letztlich gehe es vor allem um die Leidenschaft, mit der die Begeisterung des Publikums entfacht werden könne. „Wenn ein paar Leute nicht 100 Prozent bei der Sache sind, spürst du das im Endergebnis sehr deutlich – aber auch umgekehrt in fantastisch potenziertem Maß. Wenn du siehst, dass jeder sein letztes Hemd gegeben hat, bringt das das Publikum zum Aufspringen, zu Standing Ovations.“ 

Oder eben zu atemberaubenden Jubelszenen im Fußballstadion. „Das ist eben das schöne am Sport. Diese Underdog-Geschichten entstehen ja, weil eine Mannschaft über sich hinauswächst, weil jeder Spieler über sein Limit gehen möchte. Zugleich ist das aber die Messlatte, sich immer am Limit zu orientieren.“ Genau das gelingt Markus Poschner und Markus Schopp seit vielen Jahrzehnten beinahe im Gleichschritt.

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